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Aromen, Perfect Serve, Obstsalat und die unnötige Vergurkung

  • Vorneweg: Ich weiß nicht wohin mit diesem Thread, daher habe ich ihn in diese Kategorie gestellt. Wenn er verschoben wird, bitte diesen Teil einfach löschen ;)


    Dieser Thread wäre als Blogbeitrag sicherlich eher geeignet, aber ich bin dennoch überzeugt, dass es hier genug Potenzial gibt um sich über das Thema auszutauschen und zu diskutieren. Ich hoffe ich produziere hier keinen Infodump sondern kann die eine oder andere Erklärung bieten warum gewisse Dinge so sind wie sie sind bzw. warum sie sich so entwickelt haben. Die Ausgangsfrage ist dabei: Was macht einen guten Drink aus? Nun die Aromen müssen zueinander passen und sollten das Geschmackspektrum so weit wie möglich abdecken ohne dabei zu konkurrieren bzw. sich gegeneinander auszuschließen. Wie die britischen Soldaten schon früh herausgefunden haben, lässt sich der Gin perfekt mit einem Tonicwater paaren und in der heutigen Zeit, schmeckt der Gin besser und auch die Tonics haben sich gebessert. War es anfangs noch eine Art Medizin bzw. Prävention gegen Malaria ist es heute ein Kultgetränk und eher etwas zum Genießen. Das führt uns nun zur nächsten Frage: Welche Aromen passen zu meinen Gin und Tonic?


    Um das zu beantworten muss etwas weiter ausgeholt werden. Es kommt zum einem auf das Zusammenspiel von Gin und Tonic an, denken wir an die Botanicals. Wie die Aromen der Botanicals in den Gin kommen ist natürlich von Brennerei von Brennerei unterschiedlich und ich glaube kaum, dass sich jemand die Mühe macht daheim seinen Gin selbst zu verfeinern und z.B. zusätzliche Zitronenschalen in seine Ginflasche zu stecken um das Zitronenaroma zu verstärken. Aber wie bekommt man dann trotzdem mehr Aroma in seinen GT?

    Nun die Antwort ist dazu recht einfach: Cocktailbitters. So komisch es auch klingt, ein Gin Tonic ist nichts anderes als ein Cocktail. Gemäß der frühen Definition des Wortes besteht ein Cocktail aus einer Spirituose, einem Element zum Auffüllen und Bitters. Und was genau sind Bitters? Bitters sind Tinkturen, was nichts anderes bedeutet, dass Aromaträger wie z.B. Fruchtschalen für einige Zeit in etwas hochprozentigen Neutralalkohol eingelegt wurden und dann gemischt wurden. Trinken kann man sie nicht, da sie einfach nicht schmecken, aber ein paar Tropfen genügen meistens um zusätzliches Aroma in das Getränk zu geben, immerhin ist die Dichte die gleiche. Theoretisch kann jeder mit etwas Kreativität und einer entsprechenden Attitüde selbst Bitters herstellen, aber aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es nicht jedermanns Sache ist und auch verdammt aufwendig ist. War es vor 100 Jahrenn vielleicht noch gängig, dass jede Bar eigene Bitter herstellt oder ggf welche Kauft sieht das heute anders aus. Das bringt uns zum Prinzip des Perfect Serve.


    Wenn man den Drink mit entsprechenden zusätzlichen Aromaträgern garniert und hofft, dass der Gast lange genug wartet, dass sich das Aroma entfaltet läuft alles gut. Bei der Komposition des "perfekten" GT sollte man eben auch Zeit mitbringen. Das Glas vorkühlen, eine Eiskugel verwenden und eben die Aromen "aufwecken". Bei Kräutern die Zweige anklatschen, die Fruchtzesten ausdrücken etc. Dann ab ins Glas damit den Gin rein, mit Tonic auffüllen und eben etwas warten. Ebenso wichtig, ist auch die Korrespondenz der jeweiligen Zusätze mit dem Gin. Nehmen wir den Klassischen Beefeater so passen Orangen und Zitronenschalen (beide über dem Drink ausgedrückt und das Glas damit abgestrichen) perfekt dazu, Oder, mein persönlicher Favorit in diesem Falle, der NAO Gin. Aufgrund seiner Lagerung in einem Portweinfass, hat er ein etwas bitteres/rauchigeres Aroma. Um damit zu wird geraten eine Orangenzeste und drei Kaffeebohnen als Perfect Serve zu wählen. Warum? Die Öle der Orangenzeste haben eine leicht fruchtige Säure, die zwar konträr zur Bitterkeit ist, jedoch einen angenehmen Übergang bildet. Die Kaffeebohnen hingegen wechseln dann zu einem weiteren Bereich auf der Bitterkeitsskala, sodass man zwar ein etwas bitteres Getränk hat, was jedoch angenehm fruchtig schmeckt.


    Wie bei allen anderen Dingen gilt hier natürlich auch vorsicht. Weniger ist mehr und man will das gute Gin Aroma nicht mit anderen Aromen überdecken. Leider neigen viele Barkeeper dazu komplett durchzudrehen und die wildesten Kompositionen zu erstellen, wobei meistens nur ein bis zwei zusätzliche Aromen hilfreich sind. Darüber hinaus wage ich auch einfach mal zu bezweifeln, dass dieselben Personen auch wissen wie die verschiedenen Aromen harmonieren und folgen einfach ihrer Intuition bzw greifen einfach nach dem was sie gerade da haben. Und dann sind da noch die ganzen bescheuerten Trends, wie das Hinzufügen von Gurkenscheiben.

    Angefangen hat es mit Hendricks Gin, der eben als Botanical Gurken verwendet. Wenn man nun das Gurkenaroma unbedingt verstärken will, kann man in sein Hendricks Gin und Tonic natürlich Gurke hinzufügen aber in anderen Gins hat das Gemüse nichts verloren. Sein Aroma harmoniert in den wenigsten Fällen und wenn es zu viele Scheiben sind bzw. evtl sogar Gurkenstreifen wird der Drink zusätzlich noch verwässert. Auf der anderen Seite ist natürlich der Kunde König und leider steht heute ja die Präsentation eher im Fokus als das Handwerk, aber so ist das eben. Ich genieße daher ab und zu mal einen Gin Tonic außerhalb in einer Bar und freue mich wenn der Barkeeper auf irgendwelchen Schnickschnack verzichtet.


    Gingin

    Vorsichtig! Ich habe den Schwarzen Gurt in Gin-Jistu

  • Spannendes Thema, danke fürs Eröffnen.

    Mit Bitters habe ich mich noch nie befasst. Zu Beginn meiner Gin-Zeit habe ich diverses obstiges, gemüsiges und kräuteriges Zeugs in meinen Gin Tonic geworfen, inzwischen bin ich davon aber fast komplett abgekommen.

    Außer eine "pure" Gin-Tonic-Kombi schmeckt mir nicht wirklich und ich will sie in eine andere Richtung drehen 8)

    Aber eigentlich bin ich der Meinung, ein Gin Tonic sollte ohne diese "Beeinflussung" schmecken.


    steht heute ja die Präsentation eher im Fokus als das Handwerk

    Dass manches Obst und Gemüse eine optische Verbesserung darstellt, ist wieder ein anderes Thema. Ich denk mir bei vielen Kreationen auf instagram, dass das ja schon toll aussieht - aber wird das nur fürs Bild gemacht oder trinken die das dann auch?

  • Aber eigentlich bin ich der Meinung, ein Gin Tonic sollte ohne diese "Beeinflussung" schmecken.

    Nun Geschmäcker sind da eben verschieden und manche mögen eben etwas mehr Aroma in ihrem Drink als andere ;)



    Dass manches Obst und Gemüse eine optische Verbesserung darstellt, ist wieder ein anderes Thema. Ich denk mir bei vielen Kreationen auf instagram, dass das ja schon toll aussieht - aber wird das nur fürs Bild gemacht oder trinken die das dann auch?

    Eine gute Frage, wo ich aber vermute, dass es keine definitive Antwort gibt. Sagen wir, der einfachheit halber, teilweise ja ;)

    Vorsichtig! Ich habe den Schwarzen Gurt in Gin-Jistu

  • Nun Geschmäcker sind da eben verschieden und manche mögen eben etwas mehr Aroma in ihrem Drink als andere ;)

    Absolut. Manchmal werfe ich ja auch noch was ins Glas. Aber da ich meistens Gin teste, anstatt einfach nur zu trinken, bin ich dazu übergegangen, eben meist wirklich nur Gin + Tonic zu testen.

    Sagen wir, der einfachheit halber, teilweise ja ;)

    Dann würde mich tatsächlich interessieren, wie die gleiche Kombi aus Gin + Tonic mit und ohne das ganze Gedöns schmeckt. Bei mancher Deko (Blüten, getrocknetes Obst, etc) bin ich mir gar nicht sicher, ob das alles überhaupt essbar ist :-D

  • Dann würde mich tatsächlich interessieren, wie die gleiche Kombi aus Gin + Tonic mit und ohne das ganze Gedöns schmeckt. Bei mancher Deko (Blüten, getrocknetes Obst, etc) bin ich mir gar nicht sicher, ob das alles überhaupt essbar ist


    Nun ohne das Gedönst wesentlich anders. Denn die trockenen Früchte geben ihr Aroma ab, sobald sie mit Flüssigkeit wieder Kontakt kommen. Ein gutes Beispiel sind getrocknete Orangen. Werf mal eine Scheibe in einen GT wozu Orange passt und du wirst überrascht sein ;)

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  • Dieser Thread wäre als Blogbeitrag sicherlich eher geeignet, aber ich bin dennoch überzeugt, dass es hier genug Potenzial gibt um sich über das Thema auszutauschen und zu diskutieren....

    das ist einer der besten und interessantesten Themen bislang in diesem Forum.

    Ich überlege JEDES mal wenn ich einen Gin Tonic „mische“ a welches Tonic und b ob bzw welche Möglichkeiten es gibt das ganze noch runder und harmonischer zu gestalten.


    Das höchste meiner Gefühle sind Rosmarin oder ne Zeste. Mehr will ich eigentlich nicht im Glas.


    Damit untermale ich meiner Meinung nach aber nur das Aroma das sowieso schon sehr präsent ist.


    Gibt es eine Möglichkeit unterschwellige, dünne Aromen in einem Gin zu verstärken? Beispiel. Bobbys mit swiss mountain spring lemongrass tonic. Das schmeckt ganz wunderbar, aber eben vordergründig nach lemongrass. Jetzt hat der bobbys ja aber noch viel mehr botanicals zu bieten.

    Gibt es dazu eine idee wie ich botanicals aus „der zweiten Reihe“ präsenter bekomme ohne natürlich zugleich die primären botanicals zu überlagern. Es muss weiterhin stimmig sein.


    Oder ist das vlt gar nicht gewollt bzw macht keinen sinn?

    Gib Deinem Leben einen Gin !!!

  • Gibt es eine Möglichkeit unterschwellige, dünne Aromen in einem Gin zu verstärken? Beispiel. Bobbys mit swiss mountain spring lemongrass tonic. Das schmeckt ganz wunderbar, aber eben vordergründig nach lemongrass. Jetzt hat der bobbys ja aber noch viel mehr botanicals zu bieten.

    Gibt es dazu eine idee wie ich botanicals aus „der zweiten Reihe“ präsenter bekomme ohne natürlich zugleich die primären botanicals zu überlagern. Es muss weiterhin stimmig sein.


    Nun das kommt drauf an welche Botanicals der Bobbys in der zweiten Reihe hat. Es gibt durchaus diverse Möglichkeiten, jedoch sind die Umstände dazu zu beachten. Eine andere möglichkeit wären, neben bitters, Zesten o.ä eben Liköre bzw ein minischuss Brannt, sofern das zutrifft. Was willst du denn beim Bobbys noch herauskitzeln?


    Oder ist das vlt gar nicht gewollt bzw macht keinen sinn?

    Gewollt ist fragwürdig, ich glaube die Brenner denken erst mal an einen Gin, der sich unterscheidet und Geld einbringt. Im Rahmen des Craft bzw. DIY Bereichs wäre es fatal zu behaupten, dass jemand nicht will, dass der Kunde mit seinem Gin experimentiert. Die Frage nach dem Sinn muss jeder selbst finden, wie gesagt: Manche finden Gurke muss in jeden Gin rein, ich wage da aber zu widersprechen ;)

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  • Der bobbys war nur ein beispiel der eben sehr prägnant nach einem botanical schmeckt.


    Nahezu jeder gin hat ja mehr als ein botanical verarbeitet


    Ein gurkenfreund bin ich definitiv auch keiner. Rosmarin anklatschen ist super und bringt meist auch den gewünschten Erfolg.


    Die Frage wie gesagt die ich mir stelle - und so hatte ich den thread verstanden - ist ob man neben einem Tonic weitere Stellschrauben hat um einen GnT perfekt zu bekommen

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  • Die Frage wie gesagt die ich mir stelle - und so hatte ich den thread verstanden - ist ob man neben einem Tonic weitere Stellschrauben hat um einen GnT perfekt zu bekommen

    Ah verstehe. Nun möglich wären ja weitere Zusätze wie Brände oder Liköre. Ein gutes Beispiel ist der Cobalto 17. Ein schöner Gin mit Pfefferminz- und Birnennote, aber im Tonic eher Minzlastig. Was man jetzt versuchen könnte (!) wäre vielleicht ein Schuss (nicht mehr als ein Teelöffel) Birnengeist mit unter zu mischen aber das ist nur eine Vermutung. In der Praxis habe ich das noch nicht versucht

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  • Die Frage wie gesagt die ich mir stelle - und so hatte ich den thread verstanden - ist ob man neben einem Tonic weitere Stellschrauben hat um einen GnT perfekt zu bekommen

    Mit Tonic, Bitters, Kräutern/Obst/Gemüse/Gewürze und ggfs. auch leicht abweichenden Mixgetränken hat man ja quasi schon unbegrenzte Möglichkeiten.

  • Ich trinke meinen G+T auch nur seltenst mit anderen Zugaben abgesehen von Eis:).

    Ab und zu kommen nochmal Rosmarin oder eine Spalte / Zeste einer Zitrusfrucht dazu das reicht mir dann aber auch.

    Ich probiere meinen Gin immer erstmal pur und dann mit meinem Standart Tonic, sollte mich es nicht überzeugen mache ich ein paar Versuche mit anderen Tonics, finde ich keine passende Kombination wird der Gin meinen Gästen angeboten^^


    Mit Bitters habe ich auch noch keine Erfahrungen gesammelt, vieleicht sollte ich mir doch endlich mal welche zulegen.


    Die Idee die Botanicals der "zweiten" Reihe mit anderen Bränden oder Likören zu betonen finde ich echt klasse, nur leider bietet meine Hausbar bis auf Gin nur wenige andere Spirituosen / Liköre und die würden sich dafür bestimmt nicht eignen.


    Zum Thema Gurke gehe ich mit euch konform, ich mag zwar sehr gerne Gurken aber im G+T haben sie nichts verloren.

  • Ich trinke meinen G+T auch nur seltenst mit anderen Zugaben abgesehen von Eis:).

    Ab und zu kommen nochmal Rosmarin oder eine Spalte / Zeste einer Zitrusfrucht dazu das reicht mir dann aber auch.

    Ich probiere meinen Gin immer erstmal pur und dann mit meinem Standart Tonic, sollte mich es nicht überzeugen mache ich ein paar Versuche mit anderen Tonics, finde ich keine passende Kombination wird der Gin meinen Gästen angeboten^^.

    ganz genau so gehe ich ebenfalls vor. Pur - dann Standard Tonic - dann verschiedene Tonics testen.

    Hat bisher (vermeintlich) immer gut funktioniert.


    Die Idee mit den Bitters werde ich mal verfolgen.

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  • im Prinzip würde ich mit drei Sorten Bitters anfangen: Angostura Aromatic Bitters, Orangenbitters (entweder Angostura oder Fee Brothers. Letztere sind etwas süßer) und Lemon Bitters (ebenfalls Fee Brothers). Es gibt da noch wesentlich mehr Sorten (Schokolade, Pfefferminz, Grapefruit, Kirsch, Pflaume, Selery, Gurke etc.) aber das ist etwas viel. Mit den drei bitters kann man schon etwas anfangen.

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